Aus Liebe am Schreiben

Tödliche Aspekte

 

14. August 1990

 

Mit hoher Geschwindigkeit jagte eine schwarze Limousine auf der A7 auf der Überholspur über die Autobahn. Kurz vor der Ausfahrt Braunschweig bremste der Fahrer stark ab und folgte dem Wegweiser auf einen bevorstehenden Parkplatz. Immer wieder sah er in den Rückspiegel, er hatte das Gefühl, verfolgt zu werden. Der Fahrer und sein Kollege in der Limousine gehörten dem Sicherheitsunternehmen Köster an und waren auf dem Weg von Antwerpen nach Kiel. Sie waren in Eile, hatten den Auftrag, Diamanten im Wert von 1 Million DM, einem Scheich aus Dubai, der sich im Steigenberger Hotel in Kiel aufhielt, zu überbringen. Die andere Hälfte der Steine sollte per Kleinflugzeug zum Flugplatz nach Kiel-Holtenau gebracht werden. Der Scheich Achmed Ben Ali, mehrfacher Milliardär, hatte sich bei der Howaldtswerft in Kiel eine repräsentative Jacht bauen lassen und wollte sie, zusammen mit den Diamanten, nach Dubai überführen.

Die beiden Männer in der Limousine wollten nur kurz anhalten, um sich zu vergewissern, dass sie sich den braunen Mustang, der schon eine Zeit lang hinter ihnen herfuhr, nur eingebildet hatten. Außerdem konnte ein Schluck Kaffee aus der mitgebrachten Kaffeekanne nicht schaden. Sie wussten, dass es verboten war anzuhalten, doch wo kein Kläger, da kein Richter, dachten sie sich. Paul Hofer, der Fahrer, ließ sich eben von seinem Kollegen David Sanders einen Kaffee in den Pappbecher einschenken, als eine schwarz vermummte Gestalt plötzlich vor seinem Fenster auftauchte. Mit vorgehaltener Pistole wies sie ihn an, die Seitenscheibe herunterzukurbeln. Vor Schreck ließ der Mann seinen Becher fallen und verbrühte sich die Oberschenkel.

„Verdammt was soll das. Ist das ein schlechter Scherz?“ Es dauerte nur Sekunden, bis er begriff, dass die Sache ernst war. Er sah David an, der ihm zunickte, das Fenster zu öffnen. Verängstigt kurbelte er das Fenster herunter. Plötzlich war es nicht mehr nur eine Gestalt, sondern drei. Alle trugen eine Art Skimütze, die ihre Gesichter völlig verdeckte. Die drei Männer sprachen kein Wort miteinander, sie verständigten sich mit Zeichen, die sie bei der Planung des Überfalles eingeübt haben mussten. Mit der Pistole wies er den Fahrer an, den Kofferraum zu öffnen. Sie wussten, dass es nur von innen funktionierte. In diesem Moment musste Paul einen Anflug von Panik haben. Was in seinem Kopf plötzlich vor sich ging, konnte David nicht begreifen. Paul riss die Tür auf, sodass der Mann zur Seite geschleudert wurde. Dann rannte er um sein Leben. Pech für ihn, dass es der Mann war, der als einziger eine Waffe trug, denn der gebrauchte sie und zielte dreimal auf Paul und traf. Paul brach vor einer Baumgruppe zusammen. Einer der Männer schrie auf.

„Mensch Peter, bist du wahnsinnig geworden? Wir haben gesagt nur Platzpatronen. Du hast einen Menschen erschossen.“

„Na und? Gibt doch genug davon. Halt endlich die Klappe.“ In Windeseile klemmte er sich den schwarzen Lederkoffer unter den Arm und stürmte zum Fluchtwagen. Ehe seine beiden Komplizen sich bewusst wurden, was da geschehen war, riss er sich während der Flucht die Maske vom Gesicht und warf sie ins Gebüsch. Dann sprang er ins Auto und raste davon. Perplex standen die zwei anderen immer noch auf demselben Fleck, bis einer von ihnen rief:

„Komm weg hier, schnell.“ Sekunden später waren sie im Wald verschwunden. Nur an einen hatte keiner mehr gedacht. David Sanders reglos hatte er in der Limousine gesessen. Sein Blick wanderte hinüber zur Baumgruppe, vor der Paul lag und sich nicht mehr rührte. Wie in Zeitlupe stieg er aus dem Wagen und ging langsam auf den Mann am Boden zu. Er legte Mittelfinger und Zeigefinger auf seinen Puls am Hals und stellte fest, was er schon die ganze Zeit dachte. Paul war tot, sinnlos hingerichtet von seinem Mörder. Was sollte er tun? Warten, bis die Polizei ihn verhaftete? Niemand würde ihm glauben, dass er nichts mit dem Überfall zu tun hatte. Er würde für den Raub mit Todesfolge ins Gefängnis kommen. Das Urteil lautet: Lebenslänglich, dröhnte es in seinen Ohren. Er hatte nur den einen Gedanken, zurück in die Staaten. Dort würde er sich verstecken, genug Freunde hatte er in den Staaten. Doch was sollte aus Julia werden? Sie würde in ein Kinderheim kommen. Sie sollte niemals erfahren, dass ihr Vater als flüchtiger Verbrecher von der Polizei gesucht wurde. David wusste, dass er das, was er seiner Tochter antat, nie wieder gutmachen konnte.

„Papa kommt heute Abend nicht nach Hause“, murmelte er leise, als er ebenfalls den Weg in den Wald antrat. „Nie mehr mein Kind. Bitte verzeih mir.“

2

 

Etwa 20 Jahre später ...

 

Gut gelaunt steuerte er die Cessna mit dem Steuerknüppel in der einen Hand und legte die andere auf ihren nackten gebräunten Oberschenkel. Es war ihr zuwider, wenn er das tat. Seine Hände waren feucht und schwammig. Es ekelte sie an, wenn er sie damit anfasste und das tat er häufig. Ihr wurde übel, wenn sie an das letzte Mal dachte. Als er sie fragte, ob sie mit ihm nach Sylt käme, so eine kurze Dienstreise versteht sich, hatte er grinsend und augenzwinkernd gemeint, da hatte sie nicht den Mut gehabt nein zu sagen. Schließlich war er ihr Chef und sie seine Sekretärin. Dr. Elmar Kummer war ein Mann Mitte fünfzig mit beginnender Stirnglatze. Sein Gesicht war vollmondrund, unter seinen Augen hatten sich dicke Tränensäcke gebildet, und unter seinem fliehenden Kinn machte sich ein Doppelkinn breit. Seine Nase ähnelte ein wenig dem Schnabel eines Haubentauchers, spitz und leicht nach oben gebogen. Also was in aller Welt findet eine Frau an so einem Exemplar von Mann? Es war wohl nur die Tatsache, dass sie von ihm abhängig war ...

 

 

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